VIETNAM NATIONALUNIVERSITÄT HANOI
FREMDSPRACHENHOCHSCHULE
ABTEILUNG FÜR POSTGRADUIERTENSTUDIUM
PHẠM THỊ THANH TÚ
SYNONYMIE IM DEUTSCHEN
QUAN HỆ ĐỒNG NGHĨA TRONG
TIẾNG ĐỨC
MASTERARBEIT
Fachrichtung: Germanistik
Fachrichtungscode: 60220205
Hanoi - 2016
VIETNAM NATIONALUNIVERSITÄT HANOI
FREMDSPRACHENHOCHSCHULE
ABTEILUNG FÜR POSTGRADUIERTENSTUDIUM
PHẠM THỊ THANH TÚ
SYNONYMIE IM DEUTSCHEN
QUAN HỆ ĐỒNG NGHĨA TRONG
TIẾNG ĐỨC
MASTERARBEIT
Fachrichtung: Germanistik
Fachrichtungscode: 60220205
Gutachterin: Dr. Lê Tuyết Nga
Hanoi - 2016
Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich
die vorliegende Masterarbeit selbstständig
angefertigt und keine andere Literatur als
die angegebene benutzt habe.
............................
Abstract
Als eine semantische bzw. paradigmatische Relation und als Forschungsgegenstand
dieser Arbeit spielt Synonymie eine wichtige Rolle in der Semantik. Synonyme bieten
den Sprachanwendern die Möglichkeit, mithilfe verschiedener sinnverwandter Begriffe
gleiche Sachverhalte auszudrücken oder aufzunehmen. Synonyme unterscheiden sich
voneinander durch nebensächliche denotative Bedeutungen oder durch konnotative
stilistische Bedeutungen.
Eine Synonymgruppe besteht aus einem Grundsynonym als Zentrum und weiteren
Synonymen, die sich vom Zentrum durch unwesentliche denotative Seme oder
konnotative Seme unterscheiden. Das Verhältnis zwischen der Sememstruktur der
lexikalischen Einheit und deren Synonymgruppe ist komplex: Die Anzahl der Sememe
eines Lexems entspricht nicht immer der Anzahl seiner Synonymgruppen. DUDEN
und DWDS sind zwei Korpora zum Ermitteln der Synonymgruppen, zeigen aber laut
der quantitativen Untersuchung mehrere Unterschiede. Im Lückentest werden die
Ersetzbarkeitsgrade von durchführen und dessen 16 Synonymen mithilfe des Korpus
und des befragten Muttersprachlers überprüft. Daraus ergibt sich eine Differenzierung
zwischen den Synonymen, die als Basis für die weiteren DaF-Übungen dienen kann.
Diese Übungen werden für Lernende auf der Niveaustufe B1 konzipiert und
entsprechen unterschiedlichen Kompetenzen.
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung
1
1.1.
Problemstellung
1
1.2.
Fragestellungen
2
1.3.
Forschungsmethoden
2
1.4.
Aufbau der Arbeit
3
2.
Grundbegriffe
4
2.1.
Semantik als Bedeutungslehre
4
2.2.
Lexem – Semem – Sem
5
2.2.1.
Lexem
5
2.2.2.
Semem
6
2.2.3.
Sem
8
2.3.
Intensionen – Extensionen – Referenzen
10
2.4.
Denotation und Konnotation
13
3.
Paradigmatik und Syntagmatik
17
3.1.
Paradigmatische Beziehungen
17
3.1.1.
Hierarchische Beziehungen im Wortschatz
18
3.1.2.
Beziehungen der Gegensätzlichkeit im Wortschatz
21
3.2.
Syntagmatische Beziehungen
23
4.
Synonymie
26
4.1.
Definitionen von Synonym und Synonymie
26
4.2.
Synonymie und Referenzidentität
28
4.3.
Klassifizierung der Synonymie
29
4.3.1.
Totale Synonymie
29
4.3.2.
Partielle Synonymie
32
4.4.
Funktionen der Synonyme und Entstehung neuer Synonyme
35
4.5.
Methoden zur Ermittlung der Synonymie
40
4.6.
Synonymgruppen
45
5.
Empirische Untersuchung
45
5.1.
Verhältnis zwischen der Sememstruktur einer lexikalischen Einheit
46
und deren Synonymgruppen
5.2.
Quantitative Untersuchung
56
5.3.
Lückentest
66
5.4.
Übungen zum Thema Synonymie für den DaF-Unterricht
75
5.4.1.
Übung 1
76
5.4.2.
Übung 2
78
5.4.3.
Übung 3
79
5.4.4.
Zuordnungsspiel
80
6.
Schlussfolgerungen
82
Literaturverzeichnis
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
bzw.
beziehungsweise
DaF
Deutsch als Fremdsprache
d. h.
das heißt
DUDEN-B
DUDEN-Bedeutungswörterbuch
DUDEN-S
DUDEN-Synonymwörterbuch
etc.
et cetera
evtl.
eventuell
f.
folgende
f.
fortfolgend
o. Ä.
oder Ähnliche
S.
Seite
SG
Synonymgruppe
T1, T2 ...
Test 1, Test 2 ...
u. a.
und andere
z. B.
zum Beispiel
(*)
falsch
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: wertende, emotionale Wortbildungsmittel
15
Tabelle 2: Substitutionstest für „essen“ und seine Synonyme
41
Tabelle 3: Lückentest für “exakt“ und seine Synonyme
42
Tabelle 4: Unterbedeutungen des Lexems „verbringen“ und seine Synonyme
49
Tabelle 5: Synonymgruppen des Lexems „Aufenthalt“ und Bedeutungen
50
Tabelle 6: Synonymgruppe 1 des Lexems „durchführen“ und Bedeutungen
52
Tabelle 7: Sememe des Lexems „schwärmen“ und seine Synonymgruppen
55
Tabelle 8: Übersicht Synonymgruppen im DUDEN-S und DWDS
58
Tabelle 9: Überlappende Synonyme im DUDEN-S und DWDS
63
Tabelle 10: Anzahl der Bedeutungen – Anzahl der Synonyme
65
Tabelle 11: Lückentest anhand der Korpusanalyse
69
Tabelle 12: Lückentest laut der Ansicht des befragten Muttersprachlers
72
Tabelle 13: Differenzierung zwischen Synonymen des Lexem „durchführen“
74
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Semanalyse
8
Abbildung 2: Das Zeichenmodell von Ogden und Richard
10
Abbildung 3: Beispiel fürs semiotische Dreieck
10
Abbildung 4: Komponenten der Bedeutung
14
Abbildung 5: Semiotisches Dreieck für Hyponym und Hyperonym
19
Abbildung 6: Meronymie im System der Körperteilbezeichnungen
20
Abbildung 7: Die Antonyme „langsam“ und “schnell“
21
Abbildung 8: Anwendungsfrequenz der DDR- und BRD-Lexeme
38
Abbildung 9: Austauschbarkeitsgrade von Synonymen
70
1.
Einleitung
1.1.
Problemstellung
Synonymie ist eine der Bedeutungsbeziehungen zwischen sprachlichen Einheiten, die
in allen Sprachen ein wichtiger, aber auch interessanter Forschungsgegenstand ist. Laut
Eberhard (1910) erschien der Terminus Synonym zum ersten Mal im Jahr 1794 in der
Sammlung Deutsche Synonyme oder sinnverwandte Wörter (vgl. dazu Schippan 2002,
S. 206). Die Veröffentlichung von vielen Synonymwörterbüchern mittlerweile
verdeutlicht das große Interesse sowohl von Wissenschaftlern als auch von Lesern an
dieser Thematik. Dass zwei Wörter sich formal unterscheiden, aber über gleiche oder
ähnliche Bedeutungen verfügen können, ergibt einerseits eine Vielfältigkeit im
Vokabular, andererseits stellt es den Sprachverwender beim exakten Gebrauch der
sinnverwandten Begriffe vor Herausforderungen. Je differenzierter sich eine Sprache
entwickelt, desto mehr Ausdrücke oder Sememe eines Ausdruckes und ihre Synonyme
entstehen. Dieser Vorgang der Entwicklung einer Sprache ist im Prinzip nie zu ändern.
Es ist aber in der Fachwelt noch umstritten, ob zwischen zwei Ausdrücken eine totale
bzw. reine Synonymie bestehen könnte, d. h. ob ein Ausdruck in allen Kontexten durch
einen anderen Ausdruck substituiert werden könnte. Es ist davon auszugehen, dass
jeder sprachliche Ausdruck über eigene Bedeutungen und Merkmale verfügt, und ein
sprachlicher Ausdruck nicht hundertprozentig in Bedeutungen mit einem anderen
übereinstimmen kann. Daher wird Synonymie trotz vieler bisheriger Untersuchungen
immer noch als ein aktuelles Forschungsfeld betrachtet.
Als Deutschlehrerin in Hanoi sind mir die Schwierigkeiten, auf welche die
vietnamesischen Lerner beim Unterscheiden und Anwenden der Synonyme stoßen,
bekannt. Für die praktische Untersuchung besteht die Möglichkeit, verschiedene
Aufgaben und Übungen für Synonyme im DaF-Unterricht zu erstellen. Beim Blick in
die einschlägige Literatur findet man zwei Tests, einen Lückentest und einen
1
Substitutionstest, welche beide von Schippan (2002, S. 208) beschrieben werden. Diese
beiden Tests dienen der Ermittlung der Synonyme und können als Grundlage für DaFÜbungen darstellen. Schließlich liefert auch deshalb die vorliegende Arbeit einen
Beitrag für die Didaktik und Methodik im DaF-Unterricht.
1.2.
Fragestellungen
In dieser Masterarbeit wird versucht, Antworten auf folgende Fragen zu finden:
-
Wie sieht das Verhältnis zwischen der Sememstruktur einer lexikalischen
Einheit und deren Synonymgruppen aus?
-
Bestehen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen zwei Korpora für
deutsche Synonyme?
-
Können Aufgaben und Übungen für den DaF-Unterricht erstellt werden, die
mittels eines Lückentests auf den Ergebnissen der Ermittlung der Synonyme
beruhen?
1.3.
Forschungsmethoden
Als Material der theoretischen Untersuchung dienen vor allem folgende Lehrbücher:
Lexikologie der deutschen Gegenwartssprache von Schippan T. (2002), Lexikologie
des Deutschen von Römer C./Matzke B. (2005), Semantik. Eine Einführung von
Löbner S. (2003) und Semantik. Ein Arbeitsbuch von Schwarz F. M./Chur J. (2004).
In der empirischen Untersuchung der vorliegenden Arbeit werden 15 Lexeme aus dem
Lehrwerk Ausblick 1 für den DaF-Unterricht ausgewählt und untersucht. Um die erste
Frage in Kapitel 1.2. zu beantworten, beschäftigt sich die empirische Untersuchung vor
allem
mit
zwei
Korpora
(DUDEN-Bedeutungswörterbuch
und
DUDEN-
Synonymwörterbuch). Dieser stellt die Sememe einer lexikalischen Einheit dar,
während jener eine Auflistung von Synonymgruppen der lexikalischen Einheit zur
2
Verfügung stellt. Für die Datenaufbereitung werden die Bedeutungen eines Lexems
und die Bedeutungen, denen die Synonymgruppen zugeordnet werden, mit Buchstaben
gekennzeichnet und verglichen, ob es Übereinstimmungen oder Unterschiede zwischen
zwei Korpora gibt.
Die zweite Frage fordert auch die Vergleichsmethode, die anhand der zwei Korpora für
Synonyme durchgeführt wird: des DUDEN-Synonymwörterbuchs und des DWDS
Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache. Hier werden die Synonyme und
Synonymgruppen in den jeweiligen Korpora gezählt, aufgelistet, in einer Tabelle
gesammelt und ausgewertet. Darüber hinaus werden die in zwei Wörterbüchern
überlappenden Synonyme auch benannt.
Die oben genannte Tabelle ermöglicht, ein Lexem mit großem Potenzial für den DaFUnterricht auszuwählen und einen Lückentest für dieses Lexem zu entwickeln. Die
Datenerhebung beruht in erster Linie auf dem DWDS, das eine Darstellung von der
(In)kompatibilität eines Lexems mit anderen Lexemen anbietet. Die Ergebnisse des
Lückentest mithilfe des DWDS lassen sich anschließend von einem Muttersprachler
überprüfen und auswerten. Bei Nicht-Übereinstimmungen zwischen dem Korpus und
der Auffassung des Muttersprachlers werden Belege dafür gefunden.
Die Ergebnisse des Lückentests bringen eine Differenzierung der untersuchten
Synonyme mit sich, die als Grundlage für die DaF-Übungen, die für Lernende auf dem
Sprachniveau B1 entworfen werden und mit denen eine Lehrkraft den Unterricht in
verschiedenen Sozialformen praxisorientiert und auch spielerisch gestalten kann.
1.4.
Aufbau der Arbeit
Aus der Zielsetzung ergibt sich folgende Gliederung der Arbeit: Nach Problemstellung,
Fragestellungen und Untersuchungsmethoden im ersten Kapitel folgt im zweiten
Kapitel die Darstellung der Fachbegriffe. Das dritte Kapitel umfasst die Beschreibung
3
von paradigmatischen und semantisch-syntagmatischen Relationen, die mit Synonymie
zusammenhängen. Das Kapitel 4 beschäftigt sich mit Definitionen von Synonymie,
Synonymen und Synonymgruppen, Klassifizierungen, Funktionen und Methoden zur
Ermittlung der Synonyme. Das fünfte Kapitel enthält die empirische Untersuchung und
das sechste Kapitel befasst sich mit einem zusammenfassenden Überblick über die
Ergebnisse der Arbeit.
2.
Grundbegriffe
2.1.
Semantik als Bedeutungslehre
Laut Graefen/Liedke (2012, S. 67) bezeichnet man Semantik schon seit Ende des 19.
Jahrhunderts als ein Teilgebiet der Sprachwissenschaft, das sich mit sprachlicher
Bedeutung beschäftigt.
Bei Löbners Definition (2003, S. 3) besteht sogar eine genaue Abgrenzung zwischen
den Forschungsgegenständen der Semantik - Bedeutung von „Wörtern, Phrasen,
grammatischen Formen und Sätzen“ - und
Bedeutung von „Handlungen und
Phänomenen“ allgemein. In Wirklichkeit ergibt eine Handlung oder ein Phänomen oft
einen entsprechenden Sinn, z. B. bedeutet die Handlung ‚den Kopf schütteln‘ in vielen
Kulturen ‚Nein.‘ Wenn Rauch gesehen wird, wird dieser mit Brand gleichgesetzt.
Trotzdem gehört die Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Handlungen und
Phänomenen nicht zur Semantik. Löbner (2003, S. 3) stellt fest: „Die Semantik
beschäftigt sich ausschließlich mit der Bedeutung von sprachlichen Gebilden.“
In dem folgenden Zitat von Brandt/Dietrich/Schön (2006, S. 269) werden die
unterschiedlichen
Aspekte
der
Semantik
dargestellt.
Damit
werden
die
Forschungsgegenstände der Semantik, auch Bedeutungslehre genannt, ganz genau
betrachtet:
4
1. Die Semantik beschreibt/ erklärt, wie sprachliche Ausdrücke bzw. deren
Bedeutungen auf die Gegenstände, Sachverhalte und Vorgänge der
außersprachlichen Welt bezogen sind.
2. Die Semantik beschreibt/ erklärt die semantischen Beziehungen zwischen
sprachlichen Ausdrücken wie Synonymie, Antonymie u.a.
3. Die Semantik beschreibt/ erklärt, wie sich aus den Einzellexemen und aus
der syntaktischen Struktur die Bedeutung von Phrasen (Sätzen) ergibt.
4. Die Semantik beschreibt/ erklärt, wie aus Satzbedeutungen Bedeutungen von
Texten entstehen.
Die Beziehungen zwischen den sprachlichen Einheiten und deren Referenten der
außersprachlichen Welt, die als erster Aspekt der Semantik gekennzeichnet werden,
werden eingehend in Kapitel 2.3. veranschaulicht. Das dritte Kapitel befasst sich mit
den semantischen Relationen zwischen sprachlichen Einheiten, darunter ist Synonymie
der relevanteste, hauptsächliche Forschungsgegenstand dieser Arbeit. In dem obigen
Zitat werden die Bedeutungen von Phrasen, Sätzen und Texten auch als
Forschungsgegenstände der Semantik betrachtet, allerdings beschränkt sich die
vorliegende Arbeit nur auf die Bedeutung von Lexemen.
2.2.
Lexem – Semem – Sem
Entsprechend werden im Folgenden die drei Begriffe „Lexem“, „Semem“ und „Sem“
betrachtet und in Hinblick auf ihre Bedeutung und Funktion erläutert.
2.2.1. Lexem
Was in einem Wörterbuch bzw. einem Lexikon alphabetisch geordnet und erklärt wird,
wird häufig in der Linguistik als Lexem statt Wort gekennzeichnet. Laut Schippan
5
(2002, S. 95) „ist der Lexembegriff weiter als der des Wortes.“ Als Lexeme zieht die
Autorin sowohl Einzelwörter (1) als auch feste Wortgruppen (2) in Betracht:
(1)
Tisch, Pferd, Arbeiter, grünlich, laut, groß, essen, erfahren, lernen
(2a)
ab und zu, nach wie vor, Art und Weise
(2b)
das Herz sprechen lassen, auf die Nerven gehen, mit leeren Händen
(2c)
gute Besserung, alles Gute, tut mir leid
In der Einführung in die Semasiologie (1975, S. 33) betrachtet Schippan Lexem als
„Bedeutungsträger“ und „selbständige Einheit des Wortschatzes.“ Es ist plausibel,
dass die festen Wortverbindungen (2a), Phraseologismen (2b) und kommunikativen
Formeln (2c) aus mehreren Wörtern bestehen. Allerdings bilden sie zusammen eine
sprachliche Einheit, ergeben eine Gesamtbedeutung, die sich meist nicht aus den
Bedeutungen der Einzelwörter ableiten lässt. In dieser vorliegenden Arbeit kommt die
synonymische Beziehung zwischen einem Grundwort und einer festen Wortverbindung
sehr häufig vor, wie man sie beispielsweise in den Synonymen für das Wort sterben
findet: ins Gras beißen, die Augen für immer schließen, vom Tode ereilt werden etc.
Zusammenfassend werden Lexeme von Schippan (2002, S. 95f.) nach folgenden
Merkmalen klassifiziert: Lexeme als Basismorpheme (Pferd, laut), Lexeme als
Wortbildungskonstruktionen (Arbeiter, grünlich, erfahren) und Lexeme als feste
Wortgruppen (ab und zu, mit leeren Händen).
2.2.2. Semem
Semem ist der Fachbegriff, der vorwiegend im Zusammenhang mit der Polysemie
(Mehrdeutigkeit) vorkommt. In der Sprachwissenschaft wird Semem noch als
„Bedeutungsvariante“ (Löbner 2003, S. 60f.), als „Unterspezifikation“ (Meibauer
2007, S. 192ff.), oder nur „Bedeutung“ (Busch/ Stenschke 2008, S. 192f.) bezeichnet.
6
Wenn ein gleiches Lexem als eine mehrere verschiedene Bedeutungen bzw. Sememe
tragende Einheit begriffen wird, spricht man von Polysem. Dementsprechend ist
Semem eine untergeordnete Einzelbedeutung eines Lexems, das auf mehrere Denotate
referiert (vgl. dazu Schippan 2002, S. 162). Auch nach der Auffassung von Schippan
(1975, S. 66) sind im deutschen Wortschatz meist polyseme Lexeme vorhanden. Beim
Blick in ein Lexikon findet man zahlreiche Beispiele für Lexeme mit einer
Hauptbedeutung – „einem dominierenden Semem“ (Schippan 1975, S. 66) – und
weiteren Sememen. Es ist kontextabhängig, welches Semem inhaltlich aufgefasst
werden muss. Hierzu wird ein Beispiel angeführt, wobei drei Sememe des Polysems
Bauer anhand des Kontextes beleuchtet werden:
(3)
Bauer
Semem 1: Landwirt
(Der Bauer züchtet Schafe und Kühe.)
Semem 2: ungebildeter Mensch
(Er benimmt sich wie ein Bauer.)
Semem 3: kleinste Schachfigur
(Mein Bauer erreicht die letzte Reihe.)
Römer/Matzke (2005, S. 140f.) verweisen auf die Relationen zwischen Sememen eines
Lexems, nämlich die metaphorische Relation und die metonymische Relation.
Mit dem Beispiel (3) kann man die metaphorische Relation wie folgt erklären: Im
Mittelalter war der Bauer (Semem 1) gegenüber Adel und Geistlichkeit ein
Angehöriger des geringsten Standes in der Hierarchie des politischen, sozialen und
wirtschaftlichen Systems. Die Bauern waren meist Analphabeten. Auf dem Schachbrett
wiederum wird der Bauer auch als die am wenigsten wertvolle Figur betrachtet.
Zwischen Semem 1 und Semem 2 besteht eine Ähnlichkeitsassoziation mit dem
Merkmal ‚ohne Bildung‘, und zwischen Semem 1 und Semem 3 ‚geringste Macht‘.
7
Demgegenüber können die Sememe eines Lexems in einer metonymischen Relation
stehen. Beispielsweise ist das Konzept von Bezeichnung des Gefäßes und seines
Inhalts bei Tasse:
(4)
Tasse
Semem 1: ein Trinkgefaß
(Die Tasse ist zerbrochen.)
Semem 2: der Inhalt einer Tasse (Er trinkt eine große Tasse.)
2.2.3. Sem
In der Linguistik versuchen die Sprachwissenschaftler die Bedeutungen oder Sememe
eines Lexems zu analysieren. Laut Schippan (2002, S. 181 – S. 187) können die
Bedeutungselemente durch verschiedene Methoden gewonnen werden, z. B. eine
Matrix, einen Stammbaum, eine Paraphrase oder ein semantisches Netz. Im Folgenden
ist Schippans Beispiel aufzuführen, in dem die Bedeutungsmerkmale der Lexeme
Mutter und Vater schrittweise in Form eines Stammbaums aufgelöst und beschrieben
werden:
Vater
Mutter
Abbildung 1: Semanalyse (Schippan 2002, S. 181)
8
Die dieser Art zerlegten Bedeutungselemente werden von Sprachwissenschaftlern als
Seme gekennzeichnet. Demnach ist jedes Semem die Gesamtheit von mehreren Semen.
Schippan (2002, S. 183) definiert Seme als die kleinsten Einheiten in der Semantik, die
sich aus der Bedeutungsanalyse der sprachlichen Gebilde ergeben. Pelz (2007, S. 195)
hebt hervor, dass das Sem „das kleinste bedeutungsunterscheidende Merkmal“ ist und
„durch Opposition“ gewonnen wird. Anhand des obigen Stammbaums kann man die
Definitionen
beleuchten:
Die
Lexeme
Mutter
und
Vater
haben
dieselben
Bedeutungselemente: Mutter und Vater sind beide Menschen (werden von Tieren
unterschieden), mit jemandem verwandt (konstrativ von nicht verwandt), jemandes
hervorbringende Generation (Gegenteil von nachkommender Generation) und haben
eine direkte leibliche Beziehung zu jemandem (konstrativ von indirekt). Mutter und
Vater unterscheiden sich voneinander durch das letzte Merkmal: weiblich – Mutter/
männlich – Vater.
Die Bedeutung der drei Begriffe (Lexem, Semem und Sem) lässt sich insgesamt in
folgender Struktur zusammenfassen:
Lexem x
Semem 1: Sem 1, Sem 2, Sem 3 ... Sem n
Semem 2: Sem 1, Sem 2, Sem 3 ... Sem n
Semem 3: Sem 1, Sem 2, Sem 3 ... Sem n
…
Semem n: Sem 1, Sem 2, Sem 3 ... Sem n
Es handelt sich um eine Bedeutungsstruktur bzw. Sememstruktur, mit deren Hilfe man
modellhaft die Beziehungen zwischen allen drei Termini veranschaulichen kann.
9
2.3.
Intensionen – Extensionen – Referenzen
Zur Erläuterung dient in anschaulicher Art und Weise das Dreiecksmodell von
Ogden/Richards, das Pelz (2007, S. 45) ins Deutsche übersetzt hat:
Gedanke (frz. Sens, engl. meaning, die Bedeutung)
Symbol (frz. nom, engl. form, das
Referent (frz. chose, engl. referent, der
Bezeichnende)
Umweltreferent, das bestimmte Objekt, das
Bezeichnete)
Abbildung 2: Das Zeichenmodell von Ogden und Richard (Pelz 2007, S. 45)
Das semiotische Dreieck beschreibt die Beziehungen zwischen einem lexikalischen
Zeichen (z. B. einem Lexem), dem mentalen Konzept und dem Bezeichneten der
außersprachlichen Welt. Zur Veranschaulichung wird es im Folgenden am Beispiel des
Wortes Hund erklärt:
Abbildung 3: Beispiel fürs semiotische Dreieck
10
Man kann sich mit dem Lexem Hund (in Laut- und Schriftform) auf ein Objekt in der
Wirklichkeit beziehen. Das Objekt – der Referent als Fachausdruck – ist in diesem
Beispiel der abgebildete Schäferhund. Die Beziehung zwischen dem Lexem (dem
Bezeichnenden) und dem Referenten (dem Bezeichneten) wird mit einer gestrichelten
Linie illustriert, weil diese Beziehung durch die Inhaltsseite, nicht durch die Formseite
des Lexems hergestellt wird. Dasselbe Objekt (z. B. Hund) wird in verschiedenen
Sprachen unterschiedlich benannt. Man braucht daher gewisse kognitivistische
Informationen (Inhaltsseite oder Bedeutung des Lexems), um den außersprachlichen
Referenten zu identifizieren. In der Abbildung wird die Inhaltsseite des Lexems Hund
duch die Großbuchstaben HUND vereinfacht. Das muss als mentales Konzept
aufgefasst werden, dass Hunde Haustiere sind, vier Beine haben, bellen u. a.
Wie oben erwähnt, wird der Schäferhund in der Abbildung als Referent betrachtet, auf
den ein Sprecher mit dem Lexem Hund oder dem Laut /hʊnt/ referiert. Als Referenz
definiert Meibauer (2007, S. 180) die Relation zwischen einem sprachlichen Gebilde
und entsprechenden Gegenständen, über welche in einer bestimmten Situation
gesprochen oder geschrieben wird. Dementsprechend werden die Referenten als
bezeichnete Gegenstände (Personen, Dinge oder Sachverhalte) in einem bestimmten
Äußerungskontext begriffen.
Die begrifflichen Informationen, die unter einem lexikalischen Ausdruck verstanden
werden, werden als Intension des Ausdrucks bezeichnet. In diesem Beispiel gehören
alle Charakteristika wie ‚Haustier‘, ‚vier Beine‘, ‚bellen‘ u. a. zur Intension des
Lexems Hund. Demgegenüber umfasst die Extension eines lexikalischen Ausdrucks
alle Objekte, die in der außersprachlichen Welt mit diesem Ausdruck bezeichnet
werden. D. h. zur Extension von Hund gehören alle Individuen der Spezies (vgl. dazu
Meibauer 2007, S. 178f.).
11
- Xem thêm -