NATIONALUNIVERSITÄT HANOI
FREMDSPRACHENHOCHSCHULE
ABTEILUNG FÜR POSTGRADUIERTENSTUDIUM
****************************
NGUYỄN MAI HƯƠNG
METONYMISCHE ÜBERTRAGUNGEN IM DEUTSCHEN UND IM
VIETNAMESISCHEN KONTRASTIV
ĐỐI CHIẾU HOÁN DỤ TRONG TIẾNG ĐỨC VÀ TIẾNG VIỆT
MASTERARBEIT
Studiengang: Germanistik
Studiengangsnummer: 60220205
HANOI – 2016
NATIONALUNIVERSITÄT HANOI
FREMDSPRACHENHOCHSCHULE
ABTEILUNG FÜR POSTGRADUIERTENSTUDIUM
****************************
NGUYỄN MAI HƯƠNG
METONYMISCHE ÜBERTRAGUNGEN IM DEUTSCHEN UND IM
VIETNAMESISCHEN KONTRASTIV
ĐỐI CHIẾU HOÁN DỤ TRONG TIẾNG ĐỨC VÀ TIẾNG VIỆT
MASTERARBEIT
Studiengang: Germanistik
Studiengangsnummer: 60220205
Gutachterin: Dr Lê Tuyết Nga
HANOI – 2016
EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Abschlussarbeit selbstständig
verfasst habe. Es wurden keine anderen als die in der Arbeit angegebenen Quellen
und Hilfsmittel benutzt. Die wörtlichen oder sinngemäß übernommenen Zitate habe
ich als solche kenntlich gemacht. Diese Masterarbeit ist in gleicher oder ähnlicher
Form keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt worden.
Hanoi, den 28. Oktober 2016
Nguyễn Mai Hương
i
DANKSAGUNG
An dieser Stelle möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die mir bei
der Erstellung meiner Materarbeit halfen. Ohne ihre Unterstützung hätte ich sie
niemals geschafft.
Im Besonderen möchte ich meiner Betreuerin, Frau Dr. Lê Tuyết Nga
meinen Dank für ihre sorgfältige Betreuung, zahlreiche Tipps, wertvolle Hinweise
und geduldige Korrektur der Arbeit zum Ausdruck bringen.
Weiterhin danke ich meiner Familie, insbesondere meinen Eltern, die mir
mein Studium ermöglichten und mich in all meinen Entscheidungen unterstützten.
Schließlich gilt mein herzlicher Dank allen Freunden und Bekannten, die mich
immer wieder ermutigten und mir viele nützliche Tipps gaben.
ii
ZUSAMMENFASSUNG
In dieser Arbeit werden die Grundbegriffe bezüglich der Metonymie erötert.
Darüber hinaus sind viele Definitionen über Metonymie von verschiedenen
vietnamesischen und deutschen Linguisten sowie die typsichen metonymischen
Übertragungen im Deutschen und im Vietnamesischen zu behandeln und anhand
der Beispielen zu erläutern. Im praktischen Teil wird eine Analyse der Metonymie
in einer deutschen und einer vietnamesischen Online-Zeitung durchgeführt, um
herauszufinden, welche Übereinstimmungen und Unterschiede es beim Gebrauch
der metonymischen Übertragungen in Online-Zeitungen in beiden Sprachen gibt.
Anschließend wird ein Fragebogen durchgeführt, in dem die Befragten die Begriffe
Polysemie,
Metaphorik und
Metonymie
erkennen und die
Bedeutungen
metonymsicher Übertragungen bestimmen. Die Befragung setzt sich zum Ziel,
Schwierigkeiten der Studierenden beim Verstehen und Übersetzen der Metonymie
festzustellen und daraus Vorchläge zur
Verbesserung der
Übersetzungskompetenz sowie der Didaktisierung zu unterbreiten.
iii
Sprach- und
INHALTSVERZEICHNIS
EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG .......................................................................i
DANKSAGUNG.........................................................................................................ii
ZUSAMMENFASSUNG.......................................................................................... iii
INHALTSVERZEICHNIS ........................................................................................iv
ABKÜRZUNGEN .....................................................................................................vi
1. Einleitung .............................................................................................................. 1
1.1 Problemstellung .............................................................................................. 1
1.2 Zielsetzung ...................................................................................................... 2
1.3 Forschungsmethode und Aufbau der Arbeit ................................................... 3
2. Theoretische Grundlage ........................................................................................ 4
2.1 Der Begriff Semem ......................................................................................... 4
2.2 Polysemie ........................................................................................................ 7
2.2.1 Polysemie in der Semantik ...................................................................... 7
2.2.2 Polysemie in der Stilistik ......................................................................... 9
2.3. Metonymie ................................................................................................... 12
2.3.1 Metonymie in der Semantik .................................................................. 12
2.3.2 Metonymie als Stilmittel ....................................................................... 13
3. Typische metonymische Übertragungen im Deutschen und im Vietnamesischen
3.1 Typische metonymische Übertragungen im Deutschen ............................... 14
3.2 Typische metonymische Übertragungen im Vietnamesischen ..................... 17
3.3
Typische
metonymische
Übertragungen
im
Deutschen
und
im
Vietnamesischen kontrastiv ................................................................................ 36
4. Metonymie in einer deutschen und vietnamesischen Online-Zeitung ................ 38
4.1 Untersuchungen der Metonymie in der deutschen Online-Zeitung
www.sueddeutsche.de ......................................................................................... 39
4.2 Untersuchungen der Metonymie in der
vietnamesischen Online-Zeitung
www.nhandan.com.vn ........................................................................................ 43
4.3 Fazit .............................................................................................................. 47
iv
5. Probleme der Deutschlernenden beim Verstehen und Übersetzen metonymischer
Übertragungen und Didaktisierungsvorschläge ..................................................... 48
5.1 Fragebogen ................................................................................................... 48
5.2 Bewertung der Fragebögen .......................................................................... 49
5.3 Zusammenfassung der Ergebnisse der Fragebögen .................................... 60
5.4 Didaktisierungsvorschläge ........................................................................... 60
5.4.1 Erläuterung der Lehrskizze .................................................................. 60
5.4.2 Lehrskizze ............................................................................................. 62
5.4.3 Unterrichtsmaterialien .......................................................................... 66
6. Zusammenfassung .............................................................................................. 67
LITERATURVERZEICHNIS ..................................................................................71
ANHÄNGE ................................................................................................................. I
v
ABKÜRZUNGEN
Dt.
Deutschen
KTN
Kursteilnehmer
L
Lehrerin
Min.
Minuten
Vgl.
vergleich
Vn.
Vietnamesischen
z. B
zum Beispiel
vi
1.Einleitung
1.1 Problemstellung
Wortbedeutung spielt in einem Satz, in einem Kontext oder in der Kommunikation
eine sehr wichtige Rolle. Unter einer Wortbedeutung kann Einzel-, Ko- oder
Kontextbedeutung (auch potentielle Bedeutung oder Semem genannt) verstanden
werden. Ein Semem wird als eine dem Formativ zugeordnete Einheit bezeichnet,
das heißt, ein Wort bzw. ein Formativ kann viele Sememe bzw. Bedeutungen
tragen1.
Löbner (2002) spricht von Verschiebungen, die uns häufig begegnen.
Hiermit sind drei Beispiele2 anzuführen:
(1) Die Universität liegt im Norden der Stadt.
(2) Die Universität hat die theologische Fakultät geschlossen.
(3) Die Universität beginnt wieder am 5. September.
In diesen drei Sätzen können drei Lesarten bzw. Sememe von dem Wort Universität
festgestellt werden. Erkennbar ist, dass es im Satz (1) um das Universitätsgelände
geht. Der zweite Satz zeigt einen anderen Sinn von Universität, nämlich die Leitung
der Universität. Am dritten Beispiel drückt das Wort Universität den Unterricht aus.
Die Beziehung, die zwischen drei Sememen von Universität liegt, wird als
metonymische Beziehung bezeichnet.
In der vorliegenden Arbeit sollen die verschiedenen Aspekte der metonymischen
Beziehungen näher betrachtet werden. Dazu sollte diskutiert werden, wie
Metonymie zu definieren ist, welche typischen metonymischen Beziehungen im
Deutschen und im Vietnamesischen vorhanden sind und welche in beiden Sprachen
oft verwendet werden.
1.2 Zielsetzung
Metonymie gehört zu den wichtigsten Bedeutungsbeziehungen und wird oft in der
Alltagskommunikation benutzt. Allerdings treten beim Gebrauch der Metonymie
manche Probleme auf. Diese Arbeit setzt sich zum Ziel, metonymische
1
2
Vgl. Schippan, T. (2002), S.160
Vgl. Löbner (2002), S.67
1
Übertragungen im Deutschen und im Vietnamesischen darzustellen und
herauszufinden, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sich im Vergleich
ergeben. Um dieses Ziel zu erreichen sollten folgende Fragen beantwortet werden:
- Welche Bedeutungen kann ein Wort besitzen?
- Was ist unter den Begriffen Semem, Ambiguität und Metonymie zu verstehen?
- Wie werden metonymische Übertragungen im Deutschen und im Vietnamesischen
differenziert?
Diese Fragen werden im Teil der theoretischen Grundlage besprochen, indem die
Grundbegriffe, die im Zusammenhang mit der Metonymie stehen, erörtert werden.
Darüber hinaus werden metonymische Übertragungen im Deutschen und im
Vietnamesischen herausgearbeitet und typologisiert. Die anschließende praktische
Untersuchung soll die theoretischen Standpunkte verdeutlichen. Als DaF-Lehrkraft
ist es mir wichtig, dass meine Arbeit sich bei den Deutschlehrenden und -lernenden
nützlich macht. Im praktischen Teil wird eine Analyse der Metonymie in einer
deutschen
und
einer
vietnamesischen
Online-Zeitung
durchgeführt,
um
herauszufinden, ob es Übereinstimmungen und Unterschiede beim Gebrauch der
metonymischen Übertragungen in Online-Zeitungen in beiden Sprachen gibt.
Anschließend wird ein Fragebogen durchgeführt, in dem die Befragten die Begriffe
Polysemie,
Metaphorik und
metonymsicher
Übertragungen
Metonymie
bestimmen.
erkennen und die
Die
Befragung
Bedeutungen
zielt
darauf,
Schwierigkeiten der Studierenden beim Verstehen und Übersetzen der Metonymie
festzustellen und daraus Vorchläge zur
Verbesserung der
Sprach- und
Übersetzungskompetenz sowie der Didaktisierung zu unterbreiten.
1.3 Forschungsmethode und Aufbau der Arbeit
In der vorliegenden Arbeit wird Metonymie unter Berücksichtigung von
zusammengefassten Theorien und untersuchten Beispielen dargestellt. In Hinsicht
auf die theoretischen Grundlagen werden veröffentlichte Theorien aus der
Sekundärliteratur diskursiv und induktiv behandelt bzw. erötert. Als Grundlage
dieser Arbeit dienen vor allem die Definitionen und Klassifikationen von Schippan
2
(1975) und Schippan (2002). Zum Vergleichen werden andere Wisschenschaftler
wie Löbner (2002), Bußmann (2002), Schwarz/ Chur (2004), Fleischer/ Michel
(1977) herangezogen. Im Vietnamesischen beschäftigt sich die Arbeit mit
Standpunkten von unterschiedlichen anerkannten Forschern wie Đỗ Hữu Châu
(1999), Nguyễn Thiện Giáp (2008), Mai Ngọc Chừ (2011), Nguyễn Thái Hòa
(2006) und Đinh Trọng Lạc (1994). Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede in den
Positionen dieser Wissenschaftler sind herauszuarbeiten.
Im praktischen Teil werden zwei Untersuchungen separat durchgeführt. Die erste
befasst sich mit der süddeutschen Online-Zeitung und der Nhandan Online-Zeitung.
Die metonymischen Übertragungen werden in vielen Rubriken ausgesucht und
analysiert. Die Ergebnisse der Untersuchung lassen sich interpretieren und
miteinander vergleichen. Die zweite Untersuchung ist eine Befragung mittels eines
Fragebogens, der Aufgaben zu den grundlegenden Begriffen, zur Erklärung der
metonymischen Übertragung und deren Übersetzung ins Vietnamesische enthält.
Darüber hinaus sind didaktische Übungen vorzuschlagen, die in einem
Deutschunterricht eingesetzt werden, um den Lernenden beim Verstehen und
Übersetzen der Metonymie zu helfen.
Aus der Zielstellung ergibt sich folgende Gliederung der Arbeit: Nach der
Einleitung mit Problemstellung, Zielsetzung und Forschungsmethode folgt im
zweiten Kapitel die theoretische Grundlage, in der die wichtigen Begriffe wie
Semem und Ambiguität analysiert werden. Das dritte Kapitel dient der Darlegung
der Metonymie in der Semantik und als Stilmittel. Das Kapitel 4 enthält eine
Darstellung
der
metonymischen
Übertragungen
im
Deutschen
und
im
Vietnamesischen und eines Vergleichs der Klassifikationen der Metonymie in
beiden Sprachen. Anschließend wird eine praktische Untersuchung mit einer
deutschen und einer vietnamesischen Online-Zeitung durchgeführt und dann gibt es
einen zusammenfassenden Überblick über die Ergebnisse der Untersuchung. Im
Kapitel 6 werden Ergebnisse der Befragung und der Einsatz von Übungen im
3
Unterricht dargestellt. Schließlich werden zusammenfassende Schlussfolgerungen
der Arbeit gezogen.
2. Theoretische Grundlage
Um Metonymie darzustellen und metonymische Übertragungen zu beschreiben
müssen zunächst die Begriffe „Semem“, „lexikalische Ambiguität“ und andere
dazugehörige Begriffe behandelt werden.
2.1 Der Begriff „Semem“
Semem ist ein wichtiger Begriff der linguistischen Semantik und bisher gibt es
verschiedene Definitionen zu diesem Begriff. Hombergers Auffassung scheint am
einfachsten zu sein: Semem ist „Bezeichnung für die Menge der Seme, die ein
Lexem beschreiben“3. Das ist auch die Meinung von Bergman/Pauly/ Stricker4.
Laut Schippan werden Sememe als „Beschreibungseinheiten für Bedeutungen auf
der Ebene der Langue angesehen, die in der Parole aktualisiert werden“5. Auch mit
einer kurzen Definition betrachtet Bußmann Semem als „Bezeichnung für die
semantischen
Grundeinheiten
des
Lexikons,
die
durch
Seme
(minimale
Bedeutungskomponenten) beschrieben werden“6.
Im Vietnamesischen wird Semem komplexer definiert: „Sememe sind die
Beziehungen zwischen dem Wort und dem, was es bezeichnet (wofür es als Zeichen
steht), die sich in unserem Bewusstsein einprägen“.7
Neben einem dominierenden Semem (der sogenannten Hauptbedeutung) haben
viele Wörter noch weitere Sememe. Hiermit werden die Sememe des Wortes Frau
gezeigt:
S1 ‚weiblicher Mensch‘
Maris ist eine berufstätige Frau.
S2 ‚Ehefrau‘
3
Homberger, D. (2003)
Vgl. Bergmann/ Pauly/ Stricker (2005), S.102
5
Schippan, T. (2002), S. 161
6
Bußmann, H. (2002), S.619
7
Mai Ngọc Chừ/ Vũ Đức Nghiệu/ Hoàng Trọng Phiến (2006), S.167: „Nghĩa của từ là những liên hệ được
xác lập trong nhận thức của chúng ta giữa từ với những cái mà nó (từ) chỉ ra (những cái mà nó làm tín hiệu
cho)“
4
4
Er hat sich von seiner Frau scheiden lassen.
S3 ‚Verhalten wie eine Frau‘
Allgemein wird angenommen, dass die Hauptbedeutung nicht vom Kontext
abhängt, umgekehrt wird die Nebenbedeutung nur in bestimmten Kontexten
aktualisiert. Nguyễn Thiện Giáp ist jedoch der Meinung, dass keine Bedeutungen
kontextfrei sind. Die Hauptbedeutung findet man in vielfältigen Kontexten, die
Nebenbedeutung nur in bestimmten Situationen.8
Die Sememe eines Wortes bilden eine semantische Struktur. Zwischen den
Sememen besteht es ein enger Zusammenhang. So haben die Sememe von Blume
gemeinsame Bedeutungselemente (pflanzlich, Blüte) und bilden folgende
semantische Struktur:
S1 ‚eine kleine Pflanze mit auffälligen Blüten‘
Gestern hat sie Blumen gepflanzt.
S2 ‚eine Blüte oder mehrere Blüten an einem Stiel oder Stängel‘
Er hat mir einen Strauß Blumen geschenkt.
S3 ‚eine Pflanze, die in einem Topf o. Ä wächst‘
Die Blumen in der Küche müssen noch gegossen werden.
S4 ‚das Aroma des Weins= Bukett‘
„In den potentiellen Bedeutungen sind alle semantischen Merkmale enthalten, die
zu den Merkmalbündeln, zu Sememen, vereinigt werden.“9 Die Sememe eines
Wortes sind in Haupt- und Nebenbedeutung zu gliedern, dadurch werden die
Bedeutungsangaben in die Reihenfolge gebracht.10 Das Wort groß besitzt folgende
Sememe:
S1 ‚Mengenangabe + groß‘
Der Tisch ist ein Meter groß.
S2 ‚in Bezug auf Vergleichbares‘
Der Elefant ist ein großes Tier.
8
Vgl. Nguyễn Thiện Giáp (2003), S. 233
Schippan, T. (1975), S.67
10
Vgl. Schippan, T. (2002), S. 167
9
5
S3 ‚mit vergleichsweise vielen Personen, Tieren oder Dingen‘
Hier hat man eine große Auswahl an Haushaltgeräten.
S4 ‚in der Menge oder im Wert über dem Durchschnitt‘
Er hat einen großen Beitrag zum Umweltschutz leisten.
S5 ‚von besonderer Bedeutung, besonders wichtig‘
Sein Vater spielt eine große Rolle in seinem Berufsleben.
An diesem Beispielt gilt Semem 1 nicht als Hauptbedeutung, obwohl es zuerst im
Wörterbuch genannt wird.
Schmidts Meinung nach ist Hauptbedeutung „die aktuelle Bedeutung, welche als
die zu einem bestimmten Zeitpunkt gesellschaftlich wichtigste Bedeutung bei
isolierter Nennung des Wortes, also auf der Ebene der Langue, im Bewusstsein der
meisten Sprachgenossen zuerst realisiert wird“.11 Nguyen Thien Giap vertritt die
Auffassung, dass die Hauptbedeutung am häufigsten und die Nebenbedeutung nur
in bestimmten Situationen verwendet werden.12
Unter grün lässt die Hauptbedeutung Farbbegriff erkennen und bei Fuchs die
Bedeutung Raubtier. Allerdings ist in manchen Fällen undeutlich, welche
Bedeutung die Rolle als Hauptbedeutung spielt. Das Wort Jugend besitzt drei
Sememe:
S1:‚Jugendalter‘
Er genießt seine Jugend.
S2:‚Jugendlichkeit‘ (Zustand des Jungseins)
Sie hatten nicht Kraft und Jugend genug, um auszubrechen.
S3: ‚junge Leute‘
Die heutige Jugend kann nicht gut zuhören.
Es ist jedoch unklar, ob das Semem 1 oder Semem 3 als Hauptbedeutung anzusehen
ist. Die Reihenfolge, die man im Wörterbuch findet, hilft aber nicht bei der
11
12
Schmidt, W., zitiert nach Schippan, T. (2002), S.167
Vgl. Nguyen Thien Giap (2008), S.233
6
Anordnung der Bedeutungsangaben. Viel komplizierter sind „die peripheren
Bedeutungen“ innerhalb einer Wortbedeutung.13
S1: Stoffname: Holz brennt gut.
- Plural
S2/1: Gattungsname partiell: Viele Hölzer ergeben ein Bund.
+ Plural
S2/2: speziell: Einige verwenden auch gern helle Hölzer.
+ Plural
S3/1: Kollektivum: Nach dem Sturm hat Holz gefällt.
- Plural
S3/2: Kollektivum: Dieses Wochenende fahren wir ins Holz.
- Plural
S4/1-n: Gattungsname: Produkte aus dem Stoff:
+ Plural
Auf dem Markt kann man auch Hölzer (Streichhölzer)verkaufen
S5: metaphorische Varianten: Der ist aus gutem Holz geschnitzt.
S5
S4
S1
S3
1-n
1
2
S2
2/1
2/2
Im Zentrum der Abbildung14 steht Holz als Stoffbezeichnung, die Hauptbedeutung
des Wortes.
2.2 Polysemie
„Ein
Lexem
ist
polysem,
Bedeutungsvarianten hat“.
15
wenn
es
mehrere
miteinander
verbundene
In diesem Unterkapitel wird Polysemie auf der Ebene
der Semantik und der Stilistik dargestellt.
2.2.1 Polysemie in der Semantik
Polysemie wird als „reguläre Mehrdeutigkeit“16 bezeichnet und „gehört zu den
Grundtatsachen der Sprache. Sie entsteht a) durch Bedeutungsextension, d.h. ein
13
Vgl. Schippan, T. (1975), S.68
Schippan, T. (1975), S.69
15
Löbner, S. (2003), S. 60
16
Apresjan (1974), zitiert nach Schippan, T. (2002), S. 162
14
7
Lexem wird auf weitere Denotate angewandt – sein Bedeutungsumfang erweitert
sich, b) durch Bedeutungsdifferenzierung, d.h. die Bedeutung gliedern sich weiter
auf.“17
Löbner definiert den Begriff einfacher: „Ein Lexem ist polysem, wenn es mehrere
miteinander verbundene Bedeutungen, besser: Bedeutungsvarianten hat.“18
Laut Homberger spricht man von Polysemie, „wenn ein Ausdruck mehrere
Bedeutungen aufweist, die auf eine Grundbedeutung zurückgeführt werden
können“19.
Zwischen drei oben genannten Definitionen gibt es eine Gemeinsamkeit: alle
Sprachwissenschaftler sind der Meinung, dass ein Wort viele Sememe besitzt.
Während
jedoch
Schippan
die
Entstehung
der
Polysemie
durch
Bedeutungsextension und –differenzierung erörtert, erklärt Löbner, dass alle
Bedeutungen einen Zusammenhang miteinander haben und Homberger stellt dar,
dass alle Bedeutungen von der Grundbedeutung abgeleitet werden.
Betrachtet man Polysemie, werden drei Beziehungen als Ausdrücke regulärer
Mehrdeutigkeit
unterschieden,
nämlich
metonymische,
metaphorische
und
hyperonymische Beziehungen.
Metaphorik
„Metaphorische
Beziehungen
bestehen,
wenn
zwei
Sememen
Ähnlichkeitsbeziehungen zugrunde liegen, so dass dann metaphorisch verbundene
Sememe ein oder mehrere Bedeutungselemente gemeinsam haben.“20 Der
Sprachträger Terium comparationis (tc) enthält Bedeutungsmerkmal, durch das die
Sememe sich unterscheiden.
Kopf
S1‚Körperteil‘ (Grundbedeutung)
Sie hat den Kopf genickt.
17
Schippan, T. (2002), S. 162
Löbner, S. (2003), S. 60
19
Homberger (2003)
20
Schippan, T. (1975), S.95
18
8
S2 ‚der oberste Teil eines Textes‘
Am Briefkopf kannst du das Datum sehen!
tc: der oberste Teil eines Briefs
Metonymie
Im Vergleich zu Metaphorik basieren die metonymischen Beziehungen zwischen
zwei Sememen nicht auf Ähnlichkeit und nicht auf dem Vergleich, sondern auf den
Beziehungen zwischen Erscheinungen, Merkmalen, Eigenschaften usw., die
gegeben oder gemeint werden.21 Als Beispiel wird Fisch angeführt:
S1 ‚ein im Wasser lebendes Tier‘
Der Fisch schwimmt im Aquarium.
S2 ‚ eine Speise aus Fisch‘
Ich habe gestern einen Fisch gegessen.
Hyperonymie
„Hyperonymie [griech. ónyma = ónoma ‚Name‘] ist semantische Relation der
lexikalischen Unterordnung zur Kennzeichnung hierarchieähnlicher Gliederung des
Wortschatzes.“22
Hyperonymische Beziehung gilt als die genaue Wiedergabe der Beziehung von
Kollektiv und Einzelnem (Holz: ins Holz fahren, Holz schlagen), von Gattung und
Individuum (Mann: der männliche Mensch, Ehemann), von Gattungen und Spezies
(Holz: mit Holz bauen, edle Hölzer nutzen)23
2.2.2 Polysemie in der Stilistik
In der Stilistik gehören Metonymie, Metapher und Synekdoche zu den Stilfiguren,
bei denen das Gesagte vom Gemeinten abweicht.
21
Vgl. Schippan, T. (1975), S.96
Bußmann, H. (2002)
23
Vgl. Schippan, T. (2002), S.165
22
9
Synekdoche
In der vietnamesischen Literatur wird Synekdoche ziemlich oft verwendet. Unter
Synekdoche versteht man metonymische Sinnübertragung, die auf Benennung des
Gefäßes und seines Inhalts basiert.24
„Làng xóm ta xưa kia lam lũ quanh năm mà vẫn quanh năm đói rách. Làng
xóm ta ngày nay bốn mùa nhộn nhịp cảnh làm ăn tập thể.“ (Hồ Chí Minh)
Làng xóm (Dörfe)
S1 ‚vật chứa đựng‘ (das Gefäß)
S2 ‚vật được chứa đựng: những người nông dân’ (der Inhalt: die Landwirte, die im
Dorf leben)
Im Deutschen wird „die innerhalb der Ebene des Begriffsinhalts der ersetzten
Bezeichnung verbleibende Ersatzbezeichnung“25 als Synekdoche genannt. Sie wird
in Erscheinung von Substantiven in zwei Gruppen eingeteilt: Synekdoche vom
Weiteren und vom Engeren.
Synekdoche vom Weiteren wird als Setzung einer weiteren Bezeichnung für eine
engere Bezeichnung in den Ersatzreihen betrachtet: Gattung für Art, Ganzes für
Teil, Plural für Singular, Rohstoff für Fertigfabrikat.
Umgekehrt wird Synekdoche vom Engeren als Setzung einer engeren Bezeichnung
für eine weitere in den Ersatzreihen gesehen: Art für Gattung, Teil für Ganzes,
Singular für Plural.
„Zugleich sagen wir eindeutig, dass wir die Einzelhandwerker schätzen und
fördern: den Bäcker, den Klempner, den Uhrmacher, den Schuhmacher, den
Dachdecker, den Tischler, den Frisör oder den Schneider. (Neues
Deutschland)
Die Berufe werden in Singular genannt, allerdings spricht man hier von
symbolisierender Hervorhebung.
24
Từ điển giải thích thuật ngữ Ngôn ngữ học: Cải dung là lối nói chuyển nghĩa có tính chất hoán dụ dựa vào
mối liên hệ giữa vật chứa đựng và vật được chứa đựng.
25
Fleischer/ Michel, (1977), S. 159
10
Metonymie
„Die außerhalb der Ebene des Begriffsinhalts der ersetzten Bezeichnung liegende
Ersatzbezeichnung wird Metonymie genannt“.26 Sie wird in Ersatzreihen in
folgenden Gruppen geteilt:Ursache für Wirkung, Wirkung für Ursacher, Gefäß für
Inhalt, Qualität für Qualitätsträger, Symbol für soziales Phänomen.
„Das Glück wiegt fast 10 Kilo.“(Fernsehen der DDR, 1000 Tele-Tips)
S1 ‚ein Gefühlzustand‘
S2 ‚Säugling‘
„Europa stolzierte einher, gaffte den Mönchen nach, verbrauchte Kilometer
von Film, rümpfte die Nasen und kostete, schmeckte ab, verwarf, kaufte,
suchte, staunte und schüttelte den Kopf.“ (H. Thürk, Die Tiger von ShangriLa)
S1 ‚ein Kontinent‘
S2 ‚Europäer‘
Im Kapitel 3 wird Metonymie ausführlicher erörtert.
Metaphorik
Metapher
ist
„die
Bezeichnungsübertragung
auf
Grund
von
Ähnlichkeitsbeziehung“27, die stets außerhalb der Ebene des Begriffsinhalts der
ersetzten Bezeichnung vor sich geht. Zwischen zwei Sachverhalten besteht ein
Vergleich, indem das Bedeutungsmerkmal, das tertium comparationis, die
wichtigste Rolle spielt. Folgende Übertragungen gehören zu Metaphorik: vom
Konkreten auf Abstraktes, vom Belebten auf Unbelebtes, vom Menschen auf Tier,
Pflanze und Gegenstand.
„Hongkong, letzter Stein in der rostigen Krone bristischer Kolonialherrlichkeit hat
nicht nur weit über 100 000 Süchtige aufzuweisen, sondern ist seit jeher regionales
Handelszentrum für Opium, Morphium und Heroin.“ (Neues Deutschland)
S1 ‚ein Stück Stein, das aus Bergen besteht‘
26
27
Fleischer/ Michel, (1977), S. 160
Fleischer/ Michel, (1977), S. 161
11
S2 ‚ein Land‘
2.3. Metonymie
In diesem Kapitel soll Metonymie ausführlicher dargestellt werden.
2.3.1 Metonymie in der Semantik
Für den Begriff Metonymie gibt es verschiedene Definitionen. Neben der Definition
von Schippan (Kapitel 2.2.2) soll Löbners Definition erwähnt werden: „Metonymie
ist ein Ausdruck, der aufgrund seiner lexikalischen Bedeutung auf eine bestimmte
Kategorie von Objekten referieren kann, wird verwendet, um stattdessen auf etwas
zu referieren, was zu solchen Objekten gehört.“28 In dieser Definition wird
Metonymie als ein Begriff verstanden, der die Beziehung des Teils und Ganzen
beschreibt, wobei das bezeichnende sich auf Objekt bezieht.
Schwarz/ Chur vertritt die Meinung, „bei der Metonymie findet eine Substitution
statt, wobei ersetzter und ersetzender Ausdruck in einer bestimmten Relation (meist
der semantischen Kontiguität) stehen.“29
Hast du schon den neuesten Chomsky gelesen?
Chomsky ist ein Professor für Linguistik und einer der prominentesten Kritiker
verschiedener Aspekte der US-amerikanischen Politik. Unter den neuesten Chomsky
versteht man sein neuestes Werk. Zwischen der Person und ihrem Werk besteht ein
enger Zusammenhang.
Homberger bezeichnet Metonymie als übertragenen Gebrauch eines Wortes für
einen verwandten Ausdruck, der in sachliche Beziehung zu diesem Wort steht.30
Die Auffassungen der vietnamesischen Linguisten über Metonymie scheinen
einfacher
zu
sein.
Nguyễn
Thiện
Giáp
betrachtet
Metonymie
als
„Namensübertragung von einer Sache bzw. Erscheinung auf eine andere, die auf
28
Löbner, (2002), S. 68
Schwarz/ Chur (2004), S.108f
30
Homberger, D. (2003)
29
12
- Xem thêm -